Vergangenen Donnerstag fand am Anna-Essinger-Gymnasium Ulm ein Projekttag mit 108 Jugendlichen der 9. Klasse zum Thema Sinti und Roma statt. In fünf parallel laufenden Workshops wurde den Jugendlichen Wissen zu den Kulturen und Lebensweisen der Roma vermittelt und Vorurteile abgebaut. Teamende des Netzwerkes teamGLOBAL gestalteten die Workshops zusammen mit externen Referierenden, DENK GLOBAL! übernahm dabei zusammen mit Anke Romy, Lehrerin des Anna Essinger Gymnasiums, die Organisation.
Der Workshop fand gezielt an der Ganztagsschule Anna-Essinger-Gymnasium Ulm statt. Diese Schule ist ein Ulmer Stadtgymnasium, das sich unter anderem durch seine interkulturellen Aktivitäten auszeichnet. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise einen Austausch mit einer Roma-Schule im ungarischen Pécs.

Handlungsmöglichkeiten erproben

Ganz im Sinne des Selbstverständnisses DENK GLOBAL!s und der Herangehensweise der Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte den Schülerinnen und Schülerinnen während des Workshoptages durch aktivierende Methoden der Raum gegeben werden, dass sich diese als Akteurinnen und Akteure begreifen, eigene Handlungsmöglichkeiten erproben und sich unter diversen Umständen eine eigene Meinung bilden können. Die Voraussetzung für einen eigenen Meinungsbildungsprozess wurde dadurch geschaffen, dass Inhalte ergebnisoffen vermittelt werden und unterschiedliche Perspektiven aufgezeigt wurden. Daher war es auch ein Anliegen, nicht nur über Sinti und Roma, sondern auch mit diesen einen Austausch zu ermöglichen. Erfreulicherweise konnten drei junge Männer mit Roma-Hintergrund als Referierende gewonnen werden, die ihre Erfahrungen und Geschichten in den Diskurs einbrachten.
Ziel der eingesetzten Methoden und Herangehensweisen war es, die Teilnehmenden dazu zu befähigen, bzw. darin zu bestärken, gesellschaftspolitisch umstrittene Themen eigenständig zu analysieren, die eigene Meinung kritisch zu hinterfragen, in der Gruppe respektvoll zu diskutieren und gegenüber Dritten selbstbewusst zu kommunizieren.

Der Projekttag am Anna-Essinger-Gymnasium

Am Morgen des 1. Juni 2017 fanden sich die 108 Schülerinnen und Schüler am Morgen zu einer Begrüßung in der Aula ein, bevor sie sich je nach Interesse in die 5 Workshops zuteilten.
Die jungen Teamenden von teamGLOBAL führten jeweils in den parallel laufenden Gruppen in den Workshoptag ein, indem sie interaktive Übungen zu Interkulturalität und Integration anwandten. In diesen Kontexten konnten die Schülerinnen und Schüler zunächst erproben, welche Unsicherheiten entstehen, wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen aufeinandertreffen. Darüber hinaus konnten Mechanismen aufgezeigt werden, die letztlich zur Entstehung von Stereotypen oder auch Vorurteilen führen. Sensibilisiert für diese Prozesse begegneten die Schülerinnen und Schüler in einem zweiten Schritt den Kulturen der Sinti und Roma in einem informativ gestalteten Quiz, das ihnen Hintergrundinformationen zu der Minderheitengruppe vermittelte und ein Überdenken des eigenen bisherigen Bildes über Roma und Sinti einleitete. Nach der Heranführung an das Thema übergaben die Mitglieder des teamGLOBAL das Wort jeweils an externe Referierende, die als Expertinnen und Experten die Workshopgruppen zu den Kulturen der Sinti und Roma informierten und zu Antiziganismus sensibilisierten. Die Referierenden waren erstens ein Vertreter von Amnesty International in Ulm – eine Organisation, die sich u.a. für Menschenrechtsbildung einsetzt und dabei immer wieder auf die Situation der Sinti und Roma aufmerksam macht. Zweitens waren Mitglieder von Roma Art Action zu Gast. Diese Initiative von jungen Menschen, die teilweise selbst Roma sind, sensibilisiert mit musikalischen Mitteln insbesondere für das Leben von Sinti und Roma in Deutschland. Drittens referierte ein Mitglied des Landesverbandes der Sinti und Roma und ging dabei insbesondere auf die Situation der Minderheitengruppe im Raum Ulm ein. Schließlich gab Fotografin Fabienne Karmann einen Workshop, der im Folgenden beispielhaft genauer beschrieben werden soll.

Ein Einblick: Roma-Mode-Workshop mit Fabienne Karmann

Fabienne Karmann fotografierte in Ungarn Roma-Mode des Labels Romani Design, das in seinen Outfits Tradition der Roma und Modernes kombiniert. Dafür besuchte sie Familien der Roma-Community und dokumentierte nicht nur ihre Mode, sondern auch ihre Wohnungen, und gewann damit Einblick in ihr alltägliches Leben. Mit dem Modelabel Romani Design arbeitet Fabienne Karmann noch heute zusammen und so ermöglichten es beide, dass die Schülerinnen und Schüler im Workshop Modestücke selbst anprobieren konnten und sich auf diese Weise den Kulturen der Sinti und Roma nähern, denn wie sie sagt:
„Mode kann mehr sein als nur schön […] Mit Mode kann man sich mitteilen, seine Identität ausdrücken“ 

In gezeichneten Modeentwürfen konnten die Schülerinnen und Schüler außerdem die ihnen nun vertrauten Roma-Muster, Stoffe und Farben neu kombinieren.
Die kreativen Ergebnisse, die doch wahrhaft neugierig auf die Identität der Sinti und Roma machen, stellten die Schülerinnen und Schüler in einer gemeinsamen Abschlussrunde dann auch den Teilnehmenden der anderen Workshops vor.

Resumée

Gemeinsam tauschten sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler am Ende des Tages in einer Feedbackrunde über die neuen Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie im Laufe des Tages gewonnen hatten, aus. Einige Schülerinnen und Schüler entwickelten dabei die Idee, eine Arbeitsgruppe an der Schule zu gründen, die sich weiter mit der Situation der Roma und Sinti beschäftigt. In jedem Fall waren sie sich einig, dass noch mehr Schülerinnen und Schülerinnen erfahren sollten, was sie erfahren haben: Kenntnisse zu Sinti und Roma und die Vielfalt dieses Volkes und eine Möglichkeit, Problematiken vorurteilsfreier zu begegnen.
Auch das Feedback von Seiten der Teamenden teamGLOBALs und der Referierenden fiel durchwegs positiv aus. Es zeigte sich eine große Bereitschaft, das Thema weiterhin gemeinsam auszuarbeiten.

Was bleibt

Die Notwendigkeit sich in der Bildungsarbeit mit der Situation der Roma und Sinti auseinanderzusetzen, wurde nach diesem Workshoptag deutlich, daher haben sich die Teamenden von teamGLOBAL dazu entschlossen, zur Thematik weitere Workshops durchzuführen. Geplant ist des Weiteren ein Ausbildungsworkshop im kommenden Jahr, bei dem weitere Teamende zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet werden und die Methodenbausteine ausgebaut werden sollen. Interessierte Schulen können dann in Zukunft bei teamGLOBAL Workshops zum Thema Sinti und Roma buchen.
Eine Weiterarbeit mit dem Anna Essinger Gymnasium ist angedacht. Geplant ist eine Workshopreihe zum Thema an der Schule einzuführen, in der die Schülerinnen und Schüler, auch anderer Schulformen in Ulm, im Vorfeld in die Planung eingebunden werden. Bei einer solchen Planung werden Jugendliche dazu befähigt, gesellschaftliche Herausforderungen anzunehmen und sich einzubringen. Des Weiteren lernen sie organisatorisches Handwerk für die Planung eines Workshops. Noch stärker sollen hier auch Jugendliche aus anderen Ländern des Donauraumes zu Wort kommen.